Das pflanzliche Rizinusöl („Ricinusöl“) wird aus den in den roten Blüten reifenden Samen des tropischen Wunderbaums, Ricinus communis, gewonnen. Dieser gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse, Euphorbiaceae. Die Ricinussamen selbst sind hochgiftig. Das in ihnen enthaltene lebensgefährliche, aber wasserlösliche, Lectin Ricin trennt sich bei der Pressung der Samen ab und ist im gewonnenen Ricinusöl in nur noch unerheblicher, nicht schädlicher, Menge enthalten. Das fertige Ricinusöl ist blassgelb gefärbt und weist einen leicht bitteren Geschmack auf.
Die ebenfalls im Ricinussamen enthaltene Ricinolsäure wird bereits seit dem Mittelalter als natürliches Abführmittel eingesetzt. Dabei kommt es zu einer zweifachen Wirkung gegen Verstopfung. Zum einen wird die Aufnahme von Wasser aus Getränken und Nahrungsmitteln dezimiert bzw. bereits absorbiertes Wasser in das enterale Lumen sezerniert und so ein Aufweichen des Stuhls initiiert. Zum anderen regt Ricinolsäure die Darmperistaltik an, so dass der – weicher gewordene – Stuhl schneller ausgeschieden wird. In der klinischen Medizin finden Extrakte aus dem Ricinussamen dementsprechende Anwendung als Abführmittel zur Darmreinigung vor operativen Eingriffen sowie bei Obstipation. Auch die Förderung der Wehentätigkeit findet man unter ihren Einsatzgebieten. Da der genaue Wirkmechanismus an der Uterusmuskulatur aber weitestgehend ungeklärt ist, ist von einer unkritischen Anwendung als Wehenmittel dringend abzuraten.
Aufgrund der starken Wirkeffekte von Ricinolsäure als Abführmittel sollte auch in diesem Einsatzgebiet die Anwendung sehr kritisch beurteilt werden. Die abführende Wirkung tritt bereits nach wenigen Minuten ein. Bei einer Überdosierung kann es unter anderem zu Übelkeit, Erbrechen, schmerzhaften Darmkrämpfen sowie zu einer drastischen Entleerung des Darms mit Wasser- und Salzverlusten, dementsprechenden Elektrolytstörungen wie Kaliummangel und damit verbundenen Störungen der Herzfunktion und Muskelschwäche kommen. In Bezug auf den Einsatz von Ricinolsäure-basierten Abführmitteln sollte allgemeine klinisch-praktische Zurückhaltung bestehen und Alternativen Vorzug geleistet werden.
Das durch die Pressung der Samen gewonnene Ricinusöl hingegen bietet viel Gutes. Gegen die Anwendung auf der Haut ist nämlich tatsächlich nichts einzuwenden. Im Gegenteil: Eine topisch-dermatische Auftragung des Öls versorgt auch die anspruchsvolle Haut mit Feuchtigkeit und wichtigen Nährstoffen. Der erzielte verbesserte Blutfluss unter der Haut und die intensive Feuchtigkeit beugen der Hautalterung vor. Auch Narbenspuren können durch die Verwendung von Ricinusöl gelindert werden („Narbenentstörung“), und sogar eine Warzenbehandlung kann erfolgreich erzielt werden. Warzen verschwinden bei einer entsprechenden regelmäßigen Behandlung nicht selten gänzlich.
Auch als Haarpflege hat sich Ricinusöl traditionell bewährt. Es versorgt trockenes Haar mit Feuchtigkeit und wichtigen Nährstoffen und bietet sich bei brüchigem Haar somit zur Regeneration der Haarstruktur an. Die erzielte Durchblutungssteigerung der Kopfhaut fördert zudem das Haarwachstum. Dieser Effekt wird auch gerne in Bezug auf das Wimpernwachstum genutzt.
Halten wir also fest, dass wir im Zusammenhang mit Ricinusöl nicht vergessen dürfen, dass der Inhaltsstoff der Samen grundsätzlich kein positives Helferlein darstellt und vor allem der Einsatz im Zusammenhang mit der abführenden und wehensteigernden Wirkung äußerst kritisch zu betrachten ist. Die womöglichen Folgen sind keinesfalls zu missachten. Das pflanzliche Lectin Ricin stellt sogar ein internationales Biotoxin („Biowaffe“) dar.
Das nach der Pressung der Samen entstehende Ricinusöl hingegen ist als wertvolles Kosmetikum ein wahrer Schönheitshelfer – so fühlen sie sich an, die interessanten und beachtenswerten Paradoxa der praktischen Kräuterheilkunde. Ricinus communis ist ein besonderes Beispiel aus diesem Kapitel.
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