Der Lipizzaner

Die weißen Hengste, der weltberühmten Spanischen Hofreitschule, sind imposante und grazile Pferde. Der Name Lipizzaner wurde das erste Mal im Jahr 1580 im Zusammenhang mit dem Gestüt Lipizza (bzw. Lipica) der Habsburger Monarchie in Slowenien erwähnt.


Davor waren die Lipizzaner unter dem Namen Karster bekannt. Heutzutage wird der Lipizzaner in einem Atemzug mit der Spanischen Hofreitschule in Wien genannt. Die Zucht des heutigen Hauptgestüts Piber basiert auf sechs Hengstlinien, die sich mit den erhaltenen Zuchtbüchern bis nach Spanien zurückverfolgen lassen. Bis heute sind deren Namen immer noch bekannt: Neapolitano, Siglavy, Pluto, Conversano, Maestoso und Favory. Die Zuchtstuten gehen auf 24 Zuchtlinien zurück, die bis ins 18. Jahrhundert reichen. In Piber läuft die Namensgebung der Hengste wie folgt: Der erste Name stammt von der Hengstlinie des Vaters und der zweite ist der Name der Mutter. Bei den Stutfohlen läuft es ein wenig anders. Man geht sechs bis acht Generationen zurück und wählt drei Namen aus. Seit 2022 wurde das Wissen um die Traditionszucht der Lipizzaner in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen.

Lipizzaner sind zu 91 % Schimmel, jedoch kommen gelegentlich auch Braune, Rappen, Füchse und Falben vor. Die Auswahl, welche der Junghengste aus dem Gestüt Piber mit sechs Jahren in die Ausbildung ins Trainingszentrum Heldenberg gehen, hängt sowohl vom Exterieur als auch vom Interieur ab. Das goldene Ticket ziehen jedoch die Hengste, die keine Rappschimmel sind, sondern schwarz bzw. braun bleiben. Diese farbigen Hengste gelten als Glücksbringer in der Spanischen Hofreitschule. Seit über 300 Jahren hat sich nichts Wesentliches am Exterieur verändert. Der Lipizzaner wirkt elegant, mittelgroß und kompakt sowie von athletischer Statur. Ein lebhaftes Temperament, Härte und Ausdauer zeichnen die Lipizzaner ebenfalls aus. Sie erreichen ein Stockmaß zwischen 155 und 165 cm. Die Lipizzaner gehören zur Gruppe der spanischen Pferderassen und besitzen daher einen markanten Ramskopf. Eine weitere Eigenart der Lipizzaner ist ihre Spätreife, weshalb sie erst mit vier bis fünf Lebensjahren eingeritten werden sollten. Durch ihr kompaktes Exterieur können Lipizzaner bis ins hohe Alter geritten werden. Der Hengst Neapolitano Nima I. starb im Alter von 40 Jahren im Gestüt Piber. Vom Charakter her ist der Lipizzaner sehr kontaktfreudig mit Menschen, hat eine hohe Lernbereitschaft und eine schnelle Auffassungsgabe für die Lektionen der Hohen Schule der Dressur. Auffällig ist das hohe Maß an körperlicher und mentaler Stärke. Diese Stärke benötigen die Lipizzaner auch für die so kunstvoll anmutenden Figuren der Hohen Schule. Zur Zeit des Barocks wurden diese Figuren auf dem Schlachtfeld gegen Fußsoldaten der gegnerischen Armee angewandt. Seit dem Einsatz von Panzern und Maschinengewehren beschränkt sich das Einsatzgebiet der Lipizzaner jedoch auf die Dressur, Kutschfahrten und den privaten Gebrauch.

Während des Ersten Weltkriegs wurden 1915 alle Lipizzaner aus dem Gestüt Lipizza auf die Gestüte in Kladrub an der Elbe und Laxenburg in der Nähe von Wien aufgeteilt. Nach dem Krieg wurde von Italien verlangt, dass 109 Pferde, vor allem die Lipizzaner aus Kladrub, wieder nach Lipizza zurückkommen, das nun nicht mehr zur Slowakei gehörte, sondern zu Italien. Jedoch weigerte sich die Tschechoslowakei, die wertvollen Tiere herauszugeben. Im Zweiten Weltkrieg wurden durch die deutsche Wehrmacht alle Gestüte ein weiteres Mal evakuiert und nach Hostau im Sudetenland gebracht. Am Ende des Krieges wurden die Lipizzaner erneut evakuiert, um dem Vorrücken der Roten Armee zu entgehen. Der Gestütstierarzt Dr. Rudolf Lessing verhandelte im Namen des Gestütsleiters Rudolfsky mit den amerikanischen Truppen über die Rettung der Lipizzaner. In der Operation „Cowboy“ wurden alle 1200 Pferde in mehreren Gruppen nach Bayern getrieben. Nur hochtragende Stuten und Stuten mit wenigen Tage alten Fohlen wurden mit Transporten gerettet. Von diesen geretteten Lipizzanern wurden 216 für Österreich ausgewählt, der Rest ging nach Italien. Das Gestüt Lipizza bekam 1947schließlich nur 11 Pferde zurück. Diese Rettungsaktion der Amerikaner wurde 1962 von Disney verfilmt mit dem Titel „The Miracle of the White Stallions“. Heute werden sowohl in Europa in amtlichen Gestüten als auch von großen Privatzüchtern weltweit Lipizzaner gezüchtet und verkauft. Auch das Gestüt Piber verkauft jedes Jahr die Pferde, die nicht zur Remontierung der Stutenherde geeignet sind oder es nicht auf den Heldenberg geschafft haben.

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